ORGA ganz easy: Keine Angst vor Zahlenspielen
Das Thema Umsatzsteuer ist für viele Kosmetikdienstleister ein Mysterium. In der ersten Folge unserer Reihe bringt Thomas Pretschner Licht ins Dunkel.
Ein Kosmetikstudio zu besitzen und erfolgreich zu führen wäre so eine tolle Sache, wenn das ganze Drumherum nicht wäre. Denn leider gibt es neben dem Kundenumgang, den Behandlungen und dem Produktverkauf noch viele andere Dinge, die man im Blick behalten muss. Dazu gehört auch die Erkenntnis, dass die täglichen Kasseneinnahmen eben NICHT komplett dem Inhaber gehören. Ein regelmäßiger Betrag, welcher abgeführt werden muss ist hier beispielsweise die Umsatzsteuer ... äh ... Mehrwertsteuer ... äh ... Vorsteuer ... Ja was denn nun?
Das Thema Umsatzsteuer stellt sich immer wieder als Mysterium im Kosmetikalltag heraus. Und dabei geht es nicht nur um die Wahl des richtigen Begriffes. Wie wird diese Steuer richtig berechnet und was genau muss ich jetzt ans Finanzamt abführen? Wann kommen diese Zahlungen auf mich zu und was ist mit der Mehrwertsteuer, die ich bereits bei der Warenbestellung gezahlt habe? – Diese und viele andere Fragen ranken sich wie Unkraut rund um dieses vermeintliche Rätsel.
Fangen wir am besten ganz von vorn an:
Umsatzsteuer, Vorsteuer und Mehrwertsteuer sind praktisch drei Begriffe für ein und dieselbe Steuer. Der Oberbegriff lautet Umsatzsteuer und dieser bezieht sich auf alle Umsätze, die irgendjemand tätigt. Egal, ob Sie das mit Ihrem Kosmetikstudio sind, die nächste Tankstelle oder der Supermarkt um die Ecke. Wenn Sie den Begriff „Umsatzsteuer“ in einem Gespräch verwenden, machen Sie also schon erst einmal nichts verkehrt.
Wenn Sie selber etwas verkaufen, rechnen Sie einen Gewinn für sich hinein, steigern also den Wert Ihrer Leistung oder des Produkts. In diesem Fall z.B. auf Ihrem Kassenbon an den Kunden wird meist der Begriff Mehrwertsteuer (kurz MwSt.) verwendet. Durch die Häufigkeit vor allem der Abkürzung MwSt. hat sich „Mehrwertsteuer“ als umgangssprachlicher Oberbegriff etabliert. Im Steuerrecht wird in der Regel jedoch nur von Umsatz- oder Vorsteuer gesprochen. Letztere fällt an, wenn Sie etwas einkaufen, was Sie später verkaufen wollen. Die Vorsteuer ist demnach die Umsatzsteuer, die Sie VOR dem Verkauf des Produkts oder der Dienstleistung bei Ihrem Lieferaten ausgelegt haben. Ihr Lieferant (z.B. Kosmetikhersteller) würde diesen Betrag in seiner eigenen Buchhaltung jedoch als Umsatzsteuer bezeichnen, da er mit Ihnen ja einen Umsatz erzielt hat.
In Deutschland gilt seit 01.07.2020 aufgrund der Corona-Krise ein gesenkter Mehrwertsteuersatz von 16%. Für bestimmte Produkte wie z.B. Bücher oder Lebensmittel des täglichen Bedarfs gilt ein ermäßigter Steuersatz von 5%. Ab voraussichtlich 01.01.2021 wird wieder der normale Steuersatz in Höhe von 19% gelten bzw. 7% als ermäßigter Steuersatz.
Im Tagesgeschäft gibt es für die Berechnung der Umsatzsteuer eine einheitliche Formel und zwar [Nettobetrag] x 1,16 = [Bruttobetrag] oder eben [Bruttobetrag] ¸ 1,16 = [Nettobetrag]. Die „1,...“ steht für 100% des Verkaufspreises ohne Mehrwertsteuer und die 0,16 für die 16% Mehrwertsteuer, die oben aufgeschlagen wird. Der Begriff „brutto“ bezeichnet den Betrag inklusive Mehrwertsteuer und „netto“ dementsprechend ohne Mehrwertsteuer.
Wichtig für Sie ist, dass Ihnen die Mehrwertsteuer NICHT gehört. Es handelt sich dabei um einen sogenannten „durchlaufende Posten“. Sie nehmen diese Beträge von Ihren Kunden als Umsatzsteuer ein und reichen Sie in Form der Vorsteuer an Ihre Lieferanten weiter bzw. führen die Differenz an das Finanzamt ab. Sollten Sie darauf nicht achten, haben Sie schnell Schwierigkeiten mit Ihrer Umsatzsteuer-Voranmeldung (kurz USt-VA), die Ihnen der Steuerberater regelmäßig zur Zahlung ans Finanzamt mitteilt.
Sie müssen demnach nur die Differenz zwischen eingenommener Umsatzsteuer und bereits gezahlter Vorsteuer abführen. Wenn Sie also z.B. für 100 € + 16% Mehrwertsteuer (100 € x 1,16) Ware bei Ihrem Lieferanten einkaufen, steht auf der Rechnung ein Gesamtbetrag von 116 €. Diese 16 € ist aus Ihrem Blickwinkel die Vorsteuer, die Sie VOR Ihrem Weiterverkauf ausgelegt haben. Sie verkaufen das Produkt jedoch für 150 + 16% Mehrwertsteuer (150 € x 1,16), also für 174 €. Die zusätzlich eingenommenen 24 € Umsatzsteuer dürfen in Ihrer Buchhaltung mit der gezahlten Vorsteuer (16 €) verrechnet werden. Demnach müssen Sie also nur die Differenz in Höhe von 8 € im Rahmen der USt-VA (Umsatzsteuer-Voranmeldung) an das Finanzamt abführen. Das Beispiel bezieht sich hier nur auf ein Produkt. Tatsächlich haben Sie natürlich viele Umsätze und Betriebskosten, bei denen die eingenommenen Umsatz- und gezahlten Vorsteuern verrechnet werden. In der Regel benötigt ein Steuerbüro immer ein bis zwei Monate um Ihre Buchhaltung zu prüfen und die entsprechenden Auswertungen zu erstellen. Daher zahlen Sie diese Beträge auch immer etwa ein bis zwei Monate später zum 10. des Monats.
Praxis-Tipp: Wenn Sie also einen besonders guten Monat hatten und daher viel Umsatzsteuer eingenommen haben, sollten Sie diese Beträge zurücklegen, um die später kommende Umsatzsteuerzahlung an das Finanzamt leisten zu können.
Wenn Sie alles ausgeben und im Laufe der nächsten zwei Monate läuft es schlechter bei Ihnen, haben Sie dennoch (zeitverzögerte Abgabe) eine vergleichsweise hohe Zahlungsverpflichtung aus dem guten Monat, obwohl das Geld vielleicht gar nicht mehr da ist.
Hatten Sie in einem Monat ein negatives Betriebsergebnis, also mehr Ausgaben als Einnahmen, dann entsteht ein Überschuss an Vorsteuer, die Sie quasi zu viel bezahlt haben. Diese überschüssige Mehrwertsteuer aus Ihren Investitionskosten bzw. Betriebskosten erhalten Sie vom Finanzamt als Überweisung zurück. Überraschend viele Unternehmer/innen sind der irrtümlichen Ansicht, mit diesen „Steuerrückzahlungen“ vom Finanzamt zusätzliche Einnahmen zu erzielen. Das ein Trugschluss, da diese Beträge ja vorher in Form der Vorsteuer bereits an den Lieferanten gezahlt wurden. Was Sie also zurückerhalten ist definitiv geringer als Sie bereits gezahlt haben. Und derartige Rückzahlungen sind immer ein untrügliches Zeichen dafür, dass das Geschäft nicht gut läuft.
Etwa 60% aller Kosmetiker/innen in Deutschland betreiben ihr Geschäft als Kleinunternehmen (§19 UStG) mit Umsatzsteuerbefreiung. Gerade in der Anlaufphase eines neugegründeten Kosmetikstudios ist das natürlich überhaupt nicht sinnvoll. Denn in der Gründungsphase fallen in der Regel sehr hohe Investitionskosten an bei vergleichsweise geringen Umsätzen. Mit der Kleinunternehmerreglung nach §19 UStG sind diese Unternehmer/innen jedoch „nicht vorsteuerabzugsberechtigt“, d.h. sie haben keine Möglichkeit, sich die in dieser Zeit zu viel gezahlte Vorsteuer vom Finanzamt wiederzuholen. Diese Kleinunternehmer dürfen außerdem einen Jahresumsatz von 22.000 € bzw. im laufenden Geschäftsjahr bis voraussichtlich max. 50.000 € nicht überschreiten. Sollte das passieren und im Grunde ist genau das das erklärte Ziel jedes erfolgsorientierten Unternehmers, werden mit dem Jahresabschluss rückwirkend alle Umsätze umsatzsteuerpflichtig. Das heißt, mit einem Mal können auf die ohne Mehrwertsteuer kalkulierten Verkäufe und Umsätze plötzlich jede Menge Steuernachzahlungen fällig werden.
Haftungsausschluss:
Der Beitrag vermittelt lediglich betriebswirtschaftliches Grundwissen und hat ausdrücklich nicht den Charakter einer Steuerberatung. Für steuerliche Fragen Ihr Unternehmen betreffend, wenden Sie sich bitte an Ihren Steuerberater.
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